RA Mayer / Prof. Dr. Nestler
Fortbildung Strafrecht / Strafprozeßrecht aktuell

23.03.2012

Selbstleseverfahren

BGH 1 StR 587/11, Beschluss vom 10.01.2012

Ziel eines Selbstleseverfahrens ist es, den Inhalt von Urkunden auch ohne ihre Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen. Hierfür ist bedeutungslos, ob die Erklärung der Richter, vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen zu haben, darauf beruht, dass sie die Urkunden vor oder nach der Anordnung des Selbstleseverfahrens gelesen haben. Es genügt daher, wenn die Urkunden schon zuvor, etwa bei der Prüfung der Eröffnungsentscheidung, gelesen wurden. Soweit Richter die Urkunden nicht ohnehin unabhängig vom Selbstleseverfahren gelesen haben, wie z.B. möglicherweise ein zweiter Beisitzer oder ein Ergänzungsrichter und regelmäßig Schöffen, genügt es dementsprechend, wenn dies, etwa im Vorgriff auf ein beabsichtigtes Selbstleseverfahren schon vor dessen Anordnung, parallel zur Hauptverhandlung oder auch schon vor der Hauptverhandlung geschieht. In diesen Fällen kann demnach die Anordnung und die Feststellung der Kenntnisnahme in einem einheitlichen Vorgang erfolgen.
Für die übrigen Verfahrensbeteiligten gilt aber insoweit:
Sie müssen hier nicht mitspielen, können mithin darauf bestehen, dass ihnen nach der Anordnung noch genügend Zeit zur Kenntnisnahme eingeräumt wird. Nehmen sie die Feststellung, sie hätten ausreichend Gelegenheit gehabt, aber hinnehmen, kann insoweit nichts mehr gerügt werden.

Die Feststellung allerdings, die Mitglieder des Gerichts hätten Gelegenheit zur Kenntnisnahme gehabt, wird den Anforderungen des Gesetzes nicht gerecht.